Preisträger des 12. Österreichischen Friedrich Kiesler-Preises für Architektur und Kunst 2021: THEASTER GATES
Die Österreichische Friedrich und Lillian Kiesler-Privatstiftung freut sich, den US-amerikanischen Künstler Theaster Gates als Preisträger des Friedrich Kiesler-Preises für Architektur und Kunst bekannt zu geben, einem der höchst dotierten internationalen Preise auf diesem Gebiet. Der 1973 in Chicago geborene Theaster Gates zählt zu den eigenständigsten Künstler*innen der Gegenwart. Er ist Bildhauer, Keramiker und sozialer Innovator. Er befasst sich mit Themen der Raumplanung sowie Revitalisierung und Reaktivierung von Gebäuden. Sein Fokus liegt auf Community-Building durch ambitionierte kulturelle Projekte und der Bewahrung schwarzer Kultur in Amerika. Er setzt unterschiedliche künstlerische Praktiken ein, insbesondere Bildhauerei und Malerei sowie räumliche Interventionen, Film oder Musik. Seine langfristig angelegten kulturellen Projekte vereinen das Ziel, soziale, politische oder künstlerische Veränderungen auszulösen, sowie hochkarätige Programme und Angebote in schwarzen Communities zu schaffen. Bekannt wurde Theaster Gates mit der Rebuild Foundation, seiner Non-Profit-Organisation in Chicago, die verlassene Räume und Gebäude im Süden der Stadt zu einem kulturellen Ort für die Nachbarschaft transformiert. Seither ist er in wichtigen internationalen Museen und Ausstellungen präsent, u.a. auf der documenta 13 in Kassel und im Haus der Kunst, München (D), in der National Gallery of Art, Washington DC und dem Walker Art Center, Minneapolis (USA), im Palais de Tokyo, Paris (F), im Kunstmuseum Basel (CH), in der Fondazione Prada, Mailand (I) oder dem Kunsthaus Bregenz (AT).
Entscheidung der Jury
„Die Jury freut sich, den diesjährigen Kiesler-Preis an Theaster Gates, einen in Chicago lebenden Künstler, Aktivisten und Kulturimpresario, zu vergeben. Seine künstlerische Praxis umspannt verschiedene Genres der Kunst und verbindet sie mit einer sozialen Agenda. Gates‘ außergewöhnliche Leistungen lassen sich mühelos mit Friedrich Kieslers künstlerischen Konzepten und seiner experimentellen Haltung in Verbindung bringen, in Richtung der Vereinigung aller Künste mit der gebauten Umwelt und einer sozialen Vorstellung von Raum.
Mit seiner Rebuild Foundation verschmilzt Gates Kulturgeschichte und Gemeinschaftsbildung, indem er im wahrsten Sinn des Wortes Ruinen in etwas Neues verwandelt. Er komponiert Materialien, Räume und Aktivitäten mit einer ganzheitlichen Sensibilität sowohl für das Große und Ganze als auch für das Detail. Er nutzt seine Position in der Kunstwelt und als Akademiker, er vereint Fördermittel, Forschung und seine Verbindungen zur Politik, um Veränderungen zu bewirken. Er korreliert Kunst, Architektur und uneigennützigen Unternehmergeist – vor allem aber ist er jemand, der ein Problem in der Welt erkennt, Herausforderungen annimmt und einen gesellschaftlichen sowie urbanen Wandel bewirkt.
Mit Theaster Gates würdigt die Kiesler-Preis-Jury einen Konzeptkünstler, der nicht innerhalb des etablierten Systems der Architektur und der Kunstwelt agiert, sondern durch eine sehr ungewöhnliche und eigenwillige Praxis zu Handlungsmacht gefunden hat. Sein künstlerischer Ansatz zeichnet sich durch Transdisziplinarität, Respekt, Inklusion und partizipative Prozesse aus. Das wichtigste Ziel seiner Arbeit ist sozialer Wandel, räumliche Transformation und Ermächtigung.
Indem er seine Arbeit sowohl mit einem beeindruckenden ästhetischen Wert als auch mit einer sozialen Agenda ausstattet, hat er für die heutige Architektur eine sinnstiftende Rolle gefunden. So verbindet Theaster Gates die historische Position Friedrich Kieslers mit den drängenden Fragen unserer Zeit.“
Zu Theaster Gates
Theaster Gates lebt und arbeitet in Chicago. Sein Werk fußt auf seinen Studien in den Bereichen Stadtplanung, Keramik, bildender Kunst und Religionswissenschaften. Theaster Gates‘ Praxis ist auch von seinem Aufenthalt in Kapstadt, Südafrika, geprägt, wo er Religion und bildende Kunst studierte, sowie von seinem Studium der Töpferkunst und Keramik in Tokoname, Japan. Seine Arbeiten wurden in zahlreichen renommierten, internationalen Museen, Galerien und wichtigen Ausstellungen gezeigt. Er hat zahlreiche internationale Preise gewonnen, darunter den Artes Mundi 6-Preis, die Auszeichnung Légion d’Honneur, den Kurt-Schwitters-Preis, den Nasher Prize for Sculpture, den Urban Land Institute, J.C. Nichols Prize for Visionaries in Urban Development sowie den 2020 Crystal Award. Gates ist Gründer und Direktor der Rebuild Foundation, einer Non-Profit-Organisation in Chicago. Er ist Professor für bildende Kunst an der University of Chicago, wo er auch als Chefberater für kulturelle Innovation und als Berater des Dekans an der Harris School of Public Policy tätig ist.
Die hochkarätige Jury setzte sich aus Elizabeth Diller (Diller Scofidio + Renfro, New York), der Juryvorsitzenden Bettina Götz (ARTEC Architekten, Wien), Dominique Gonzalez-Foerster (Paris), Anab Jain (Superflux, London sowie Universität für angewandte Kunst Wien) und Wolfgang Tschapeller (Wolfgang Tschapeller ZT GmbH sowie Akademie der bildenden Künste Wien) zusammen.
Seit seiner Begründung im Jahr 1997 wurden Frank O. Gehry (1998), Judith Barry (2000), Cedric Price (2002), Asymptote Architecture / Hani Rashid + Lise Anne Couture (2004), Olafur Eliasson (2006), Toyo Ito (2008), Heimo Zobernig (2010), Andrea Zittel (2012), Bruce Nauman (2014), Andrés Jaque (2016) und Yona Friedman (2018) mit dem Friedrich Kiesler-Preis ausgezeichnet.
Die Vergabe und Dotierung des Preises erfolgt abwechselnd alle zwei Jahre aus Mitteln der Republik Österreich sowie der Stadt Wien in Organisation mit der Österreichischen Friedrich und Lillian Kiesler-Privatstiftung mit Sitz in Wien. Bedingt durch die COVID-19-Pandemie wurde die Ermittlung des Preises im Jahr 2020 auf 2021 verschoben. Die offizielle Preisverleihung ist im Spätherbst 2021 durch Veronica Kaup-Hasler, Stadträtin für Kultur und Wissenschaft Wien, geplant.
„Räume und Plattformen, die die Leistung schwarzer Künstler*innen und Designer*innen hervorheben, wurden lange Zeit übersehen. Projekte, die den Menschen ebenso beachten wie die Implikationen einer gebauten Form, verdienen Anerkennung. Ich bin sehr dankbar, Teil dieses beispielhaften Prozesses zu sein, und dankbar, dass das Auswahlkomitee meine Arbeit als einen Teil in der Reihe von herausragenden Persönlichkeiten anerkennt, die diesen Preis in der Vergangenheit erhalten haben. Mein Dank gilt all jenen, die meine Arbeit sowohl in den Museen als auch auf der Straße unterstützt haben.“
Theaster Gates, Kiesler-Preisträger 2021
„Ich freue mich sehr, dass mit Theaster Gates ein virtuoser Grenzgänger zwischen bildender Kunst, Performance, Aktivismus und Stadtplanung ausgezeichnet wird. Sein Werk, in Verbindung mit dem visionären Wirken von Friedrich Kiesler gedacht, eröffnet neue Horizonte. Sein Interesse gilt der Frage, wie mit künstlerischen Mitteln soziale Räume geschaffen werden können, und ist damit höchst relevant für die Zivilgesellschaft. Die künstlerische Bandbreite, über die Theaster Gates verfügt – von der Töpferkunst bis zur Musik – ist ein spannendes Spiegelbild der Heterogenität urbanen Lebens. Dabei verliert er auch in jahrelangen Prozessen nie das Ziel aus den Augen, das Leben für alle Bewohner*innen einer Stadt besser zu machen.“
Veronica Kaup-Hasler, Amtsführende Stadträtin für Kultur und Wissenschaft der Stadt Wien
„Theaster Gates bewegt sich meisterlich an der Schnittstelle von Architektur, Raumentwicklung und Kunst und ist damit prädestiniert für den Friedrich Kiesler-Preis. Seine gesamte Arbeit, aber die Rebuild Foundation im Besonderen, ist ein Paradebeispiel dafür, wie Kunst und Architektur auch soziale Wirkung entfalten können. Theaster Gates ist ein würdiger Kiesler-Preisträger – und darüber hinaus ein Vorbild für alle, die in diesem Bereich tätig sind.“
Andrea Mayer, Österreichische Kunst- und Kulturstaatssekretärin
„Theaster Gates versteht es wie kaum ein anderer, in seinem Schaffen soziales Engagement mit architektonisch-künstlerischen Lösungen zu verbinden. Die dabei geschaffenen Orte sind nicht nur neue Zentren für die Gemeinschaft, sondern bestechen durch ihre außergewöhnlich poetische und räumlich-ästhetische Qualität. Gates’ neuartige Raumpraxis verbunden mit einer gesellschaftlichen Agenda hebt sowohl den Friedrich Kiesler-Preis als auch die Architektur als künstlerische Disziplin auf eine neue Ebene. Er ist ein Konzeptkünstler, der sich der drängenden Probleme unserer Zeit und seiner unmittelbaren Umwelt annimmt. Seine prozessorientierte und transdisziplinäre Herangehensweise, sein Anspruch, die Lebensrealität der Menschen zu verbessern, verbinden ihn mit Friedrich Kiesler und seiner Idee der ,correlated Arts’”.
Elke Delugan-Meissl, Präsidentin Friedrich Kiesler Stiftung